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Sprachkurse sinnvoll gestalten

29. Oktober 2019

Wenn die eigene Muttersprache zum Hindernis wird

Welche Vorteile kann es haben, mit unterschiedlichen Muttersprachlern eine Sprache zu lernen? Eva ist vor einem Monat nach Brüssel gezogen und hat daher entschieden, einen Französischkurs zu belegen. Die Sprache hat sie bereits in der Schule gelernt, aber Themen, wie Pronomen, Konjunktionen und Konjunktive, sind ihr über die Jahre leider entfallen. Die Assoziation mit regulärem Schulunterricht hat Eva zunächst verunsichert. Der Spanischunterricht an der Volkshochschule vor zwei Jahren war abschreckend genug gewesen: 30 Schüler mit unterschiedlichem Lernniveau, Frontalunterricht und völlig veraltete Lehrmittel. Am schlimmsten fand Eva jedoch den Umstand, dass sie ausschließlich mit Deutschmuttersprachlern in der Klasse saß, die sich die meiste Zeit auf Deutsch verständigt haben.

Kaum ein Umstand bremst einen Sprachlerner mehr als andere Muttersprachler. In Evas Französischunterricht läuft es anders. Zweimal pro Woche sitzt sie mit völlig unterschiedlichen Muttersprachlern in einem Klassenzimmer, um gemeinsam Französisch zu lernen. Nämlich mit einem Kroaten, einer Serbin, einem Polen, einer Japanerin, zwei Rumänen, einem Italiener, einer Spanierin, einer Niederländerin, einem Engländer und zwei Iren. Eine Unterhaltung jenseits der eigenen Muttersprache kann sehr aufgesetzt wirken, weil eben noch sehr viel Vokabular fehlt. Am besten lernt man eine Sprache eben dann, wenn man gezwungen ist, sie anzuwenden. Erst dann hat man die nötige Motivation bzw. auch gar keine andere Möglichkeit, als das Wörterbuch hervorzukramen und die fehlenden Vokabeln nachzuschlagen. Muttersprachler unter sich greifen viel zu schnell auf die gemeinsame Muttersprache zurück und das ganz einfach, weil es eben bequemer ist.

Durch den ständigen Gebrauch der Zielsprache geht diese deutlich besser ins Langzeitgedächtnis über. Besonders vorteilhaft ist daher vor allem ein längerer Aufenthalt in dem Herkunftsland der jeweiligen Sprache. Bus- und Bahndurchsagen, Straßenschilder und Einkaufsetiketten prägen sich eben deutlich schneller ein als abstraktes Vokabular aus dem Schulbuch. Sie sind alltagsnah und implizieren eine unumstrittene Relevanz für den Lerner. Für einen erfolgreichen Lernprozess reicht diese Peripherie jedoch bei Weitem nicht aus. Gespräche mit Muttersprachlern der Zielsprache sorgen dafür, dass einem der Kontext eines Wortes auf einmal einleuchtet. Möchte man diesen Austausch systematisieren, sind Tandempartner eine sehr vorteilhafte Methode.

In klassischen Sprachkursen sind die Sprachniveaus, Lerntypen und Lerngeschwindigkeiten schlichtweg zu unterschiedlich, um einen zielgerichteten und damit erfolgreichen Unterricht aufzubauen. Es fühlt sich meist unnatürlich an, mit jemandem eine Fremdsprache zu sprechen, der eigentlich die gleiche Muttersprache hat. Es ist einfach viel nahe liegender, auf die gemeinsame Ressource „Sprache“ zurückzugreifen. Insbesondere Lernsituationen, in denen der eine wesentlich fortgeschrittener ist als der andere oder in denen beide Lerner starke Defizite aufweisen, machen den Rückgriff auf die gemeinsame Muttersprache viel zu verlockend. Immerhin gibt es kaum etwas Wohltuenderes, als eine Sprache auf gleichem Niveau zu sprechen, verstanden zu werden und vor allem zu verstehen. Vielen Lernern fällt es leichter, unterschiedliche Sprachniveaus zu akzeptieren, wenn der Mitschüler einen völlig anderen sprachlichen Hintergrund hat, als bei einem Muttersprachler tendenziell von denselben Ausgangsvoraussetzungen auszugehen. Für Eva ist der Austausch mit dem „bunten Haufen“ im Französischkurs jedenfalls sogar motivierender als der Alltag in Brüssel. Vor allem ist er gemeinschaftlicher. Und man teilt mehr als nur eine gemeinsame Sprache: Die Schüler stehen vor derselben Herausforderung, die sie gemeinsam umso leichter bewältigen können.

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