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Akzentfreies Deutsch

29. Juli 2019

Einige Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, nutzen bisweilen ihren Akzent, um ihre kulturelle Identität zu bewahren. Die meisten möchten ihren Akzent allerdings schnellstmöglich loswerden, um unter den Muttersprachlern nicht so aufzufallen. Die Germanistin Ursula Hirschfeld kann erklären, warum dies allerdings gar nicht so leicht ist. Laut Hirschfeld werden Merkmale, Regeln und Muster der Aussprache der Muttersprache auf die Zweitsprache übertragen. Dazu gehören bestimmte Vokale und Konsonanten ebenso wie spezifische Sprachmelodien, Rhythmen und Akzentuierungen. Aus diesen Merkmalen ergibt sich ein Wiedererkennungswert, der beispielweise bei der Übertragung vom Russischen ins Deutsche oder auch vom Englischen ins Deutsche besonders deutlich wird.

Insbesondere der französische, aber auch der italienische Akzent erfreuen sich unter deutschen Muttersprachlern besonderer Beliebtheit. Russische sowie vor allem türkische Akzente gelten unter deutschen Muttersprachlern eher als unbeliebt. Warum werden unterschiedliche Akzente im Deutschen so unterschiedlich bewertet? Subjektive Bewertungen von Aussprachen hängen zum einen vom Klang einer Äußerung ab und zum anderen von dem Verhältnis, das der Hörer zur Erstsprache eines Sprechers hat. Handelt es sich z. B. eher um eine melodische Sprache oder eine Sprache mit besonders starken Variationen der Lautstärke? Es gibt Sprachen mit besonders vielen Vokalen und stimmhaften Konsonanten und wiederum Varianten, die eher durch stimmlose Konsonantenfolgen geprägt sind.

Hinzu kommt, dass wir Sprachen, zu denen wir keinen Zugang haben, anders bewerten als Sprachen, mit denen wir emotionale Berührungspunkte haben. Auch die Beziehung zu der Kultur der jeweiligen Sprache spielt eine entscheidende Rolle. Ebenso wie die Gesellschaft, in der sie gesprochen wird. Wie aber gehen Menschen damit um, wenn ihr muttersprachlicher Akzent von deutschen Muttersprachlern missbilligt oder abgelehnt wird? Mehrere Studien belegen, dass Menschen mit typischen „Einwandererakzenten“ schlechtere Chancen bei der Jobsuche haben. Eine ähnliche Ausgrenzung kann auch in anderen gesellschaftlichen und persönlichen Kontexten angenommen werden.

Interessant ist wiederum, dass diese Kausalität nicht nur für Menschen mit einem ausländischen Akzent gilt, sondern auch für Menschen mit einem starken regionalen Dialekt. Ähnlich ist es bei Menschen, die stottern oder andere Sprachfehler aufweisen. Diskriminierungen entstehen also, wenn die Aussprache von der gewohnten Norm abweicht. Wie kommt es dennoch, dass vor allem Jugendliche bewusst fremdsprachige Akzente verwenden, obwohl sie akzentfrei Deutsch sprechen könnten? Anders als frisch eingewanderte Menschen, möchten viele Jugendliche nicht in der Menge untergehen, sondern sich vielmehr vom Rest der Gesellschaft abgrenzen. Dabei geht es beispielsweise um die Hervorhebung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale.

Sollten DaZ-Lehrer ihre Schüler nun dazu anhalten, akzentfrei Deutsch sprechen zu lernen oder nicht? Zunächst einmal sollten DaZ-Lehrer ihre Schüler dazu motivieren, trotz ihres starken Akzentes an Gesprächen in der Zielsprache teilzunehmen. Wichtig ist auch, dass sie den Lernern bewusst machen, dass es – je nach Alter – eher unwahrscheinlich ist, dass derjenige einmal akzentfrei Deutsch sprechen wird. Fakt ist jedoch, dass Menschen mit einem schwächeren fremdsprachlichen Akzent überregional besser verstanden werden. Allein deswegen ist akzentfreies Deutsch durchaus ein wünschenswertes Lernziel oder zumindest etwas, das sich anzustreben lohnt. Warum bleiben die meisten DaZ-Lerner dennoch erfolglos?

Das Erlernen der Aussprache einer Zielsprache erfordert das Aneignen neuer Hörmuster und die Entwicklung feinmotorischer Sprechbewegungen. Wenn in der Muttersprache nicht zwischen kurzen und langen Vokalen unterschieden wird, kann es im Deutschen recht schwer werden, zwischen „Stadt“ und „Staat“ zu unterscheiden. Das entsprechende Verständnis erfordert ein intensives Hörtraining. Auch bestimmte Muskelbewegungen im Mund müssen zunächst einmal erlernt und schließlich automatisiert werden. Daher sind selbst bei fortgeschrittenen DaZ-Lernern immer noch leichte Abweichungen in der Aussprache zu hören. Hinzu kommt, dass sowohl Lehrkräfte als auch Unterrichtsmaterial für den DaZ-Unterricht oft mangelhaft sind. Wie aber sieht erfolgreiches Phonetiktraining aus? Mehr dazu im nächsten Beitrag.

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