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Andere Länder, andere Kraftausdrücke!

17. Mai 2019

Die Wissenschaft der Schimpfwörter

In seinem Sachbuch „Das Feuchte und das Schmutzige / Kleine Linguistik der vulgären Sprache“ vergleicht Hans-Martin Gauger den internationalen Sprachgebrauch im Hinblick auf Beleidigungen. Wenn zwei Individuen aufeinandertreffen, für die der zivilisierte Sprachgebrauch aus irgendeinem Grund nicht mehr ausreicht, kann es schnell zu verbalen Ausschreitungen kommen: Man beginnt, sich zu beleidigen. Das Erstaunliche an einer Beleidigung ist, dass diese meist sehr schnell vollzogen wird und dies mit einer relativ großen Bewusstheit, auch wenn das Bewusstsein in entsprechenden Situationen meist kaum eine Rolle spielt.

Zivilisatorische Konventionen und kulturelle Tabus werden plötzlich zweitrangig und die angestaute Energie entlädt sich: Es geht schließlich nur noch darum, sein Gegenüber zu erniedrigen. Auffällig ist, dass derartige Erniedrigungen nicht viel mit dem zu tun haben, was wir in unseren Wörterbüchern wiederfinden. Wenn es darum geht, eine andere Person möglichst effektiv zu degradieren, treten vor allem Metaphern und Metonymie an die Stelle lexikalischer Korrektheit. So werden Menschen mit Tiernamen oder – wenn es ganz böse wird – mit Ausdrücken für Geschlechtsteile und Ausscheidungsorgane betitelt, die so in keinem Biologiebuch verzeichnet sind.

Andere Länder, andere Kraftausdrücke? Laut Gauger werden Deutsche anders ausfällig als andere Muttersprachler. In deutschen Kraftausdrücken überwiegen signifikant viele Wörter und Wendungen aus dem Fäkalbereich. Der mit Abstand am häufigsten verwendete deutsche Kraftausdruck ist das Wort mit „Sch“ sowie diverse Sch-Komposita und -Adverbien. Oder wie Gauger 2012 in einem Interview mit dem SPIEGEL erklärte, „[Die Deutschen] sind, auf Deutsch gesagt, klar und beharrlich auf der Scheiße-Linie.“ Auch die beliebteste deutsche Beleidigung lässt sich semantisch in den Bereich der Ausscheidung einordnen. Auffällig ist, dass in romanischen Sprachen, aber vor allem auch im Englischen, viel häufiger sexuelle Termini verwendet werden, um zu fluchen oder andere Menschen zu degradieren, als im Deutschen.

Und wie flucht der Rest der Welt? Der Wortschatz der italienischen Kraftausdrücke ist so groß, dass man theoretisch eine ganze Unterhaltung führen könnte, die quasi nur aus Schimpfwörtern besteht. Wer jemanden im Italienischen wirklich schlimm beschimpfen möchte, zielt auf die Verwandtschaft. Die Franzosen sind in ihren Beleidigungen weniger kreativ. Neben den geläufigen sexuellen Bezügen greifen sie auch gerne auf homophobe Beschimpfungen zurück (z. B. fiotte, tarlouze (Schwuchtel)). Bei den Niederländern wird es eher persönlich, wenn sie sich gegenseitig die schlimmsten Krankheiten an den Hals wünschen (z. B. klere (Cholera), pokke (Pocken)). In Spanien haben fast alle Flüche damit zu tun, Gott, Jesus oder Maria zu beleidigen, z. B. Me cago en la puta madre de Jesús, en su padre y en toda su jodida corte celestial! (Ich scheiße in Jesu Hure einer Mutter, in seinen Vater und in ihr ganzes verdammtes himmlisches Gefolge!).

Warum fluchen wir überhaupt? Psychologen sagen, dass Fluchen als Ventil fungiert, um negative Emotionen herauszulassen, und dies sei sogar gesund. So wie nahezu alles, was der Körper ausscheide, diene auch das Fluchen dazu, den Körper – und vor allem die Psyche – zu entlasten. Durch die Verbalisierung des Ärgers, schlucke man diesen nicht herunter, sondern baue den Stress direkt ab. Die psychischen Folgen seien meist schon unmittelbar danach spürbar: Erleichterung und Entspannung. Dies hänge nicht zuletzt damit zusammen, dass das Fluchen dabei helfe, das Stresshormon Cortisol abzubauen. Im Gehirnareal für emotionale Regungen, dem limbischen System, entstehe – ausgelöst durch den Ärger – zunächst eine Spannung (wie in einer Gewitterwolke), die sich durch das Fluchen (ähnlich wie bei einem Blitz) entlade. Geiler Scheiß, oder!?

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